Ein Thema für die Leitlinien: Abrüstung und Rüstungskontrolle

01.11.2016: Beitrag von Dr. Ute Finckh-Krämer für PeaceLab 2016, ein Projekt des Global Public Policy Institute (GPPi) mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes


von Ute Finckh-Krämer

Ein Thema für die Leitlinien: Abrüstung und Rüstungskontrolle

Abrüstung und Rüstungskontrolle sollten in den Leitlinien stehen, denn sie können Raum für Friedensprozesse und Deeskalation schaffen. Auch der Erhalt des deutschen Expertenwissens in naturwissenschaftlicher Friedensforschung muss sichergestellt werden. Zuständigkeiten sollten im Auswärtigen Amt gebündelt und systematisch mit Krisenpräventionsarbeit verzahnt werden.

Krieg und Bürgerkrieg haben vielfältige Ursachen - soziale, politische, ethnische, religiöse oder Ressourcenkonflikte. Die Verfügbarkeit von Waffen, das Denken in Worst Case-Szenarien, lokale und globale Rüstungswettläufe - oft durch derartige Szenarien angeheizt - erhöhen jedoch das Risiko, dass Konflikte mit Waffengewalt ausgetragen werden.

Dazu kommt, dass hohe Militärausgaben oft dazu führen, dass zu wenig Geld für Bildung, zivile Forschung, medizinische Versorgung, Infrastruktur oder soziale Sicherungssysteme zur Verfügung steht. Damit können sie politische Konflikte innerhalb des betreffenden Landes verschärfen. Oft werden auch vermeintliche oder tatsächliche Bedrohungen von Regierungen oder Parteien zum Machterhalt genutzt. Sicherheitsapparate, die mit externen Bedrohungen gerechtfertigt werden, werden oft gegen Oppositionelle eingesetzt, politische Gegner als Fünfte Kolonne des äußeren Gegners denunziert, soziale Ungerechtigkeiten durch das gezielte Schüren von Ängsten vor einem inneren oder äußeren Feind aus der innenpolitischen Debatte verdrängt.

Abrüstung, Rüstungskontrolle und Verifikations- bzw. Transparenzmaßnahmen können daher dazu beitragen, dass Konflikte nicht zu Kriegen oder Bürgerkriegen werden. Auch eine restriktive Rüstungsexportpolitik und internationale Verträge wie der Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) tragen dazu bei, Rüstungswettläufe mit all ihren Risiken zumindest zu erschweren und dadurch die Eskalation von Konflikten zu Gewaltkonflikten zu verhindern.

Zuständigkeiten im AA bündeln und mit Krisenprävention verzahnen

Nach dem Review-Prozess des Auswärtigen Amtes von 2014 wurden dessen Abrüstungsabteilung und die Abteilung für die Vereinten Nationen in der Abteilung für Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und Rüstungskontrolle zusammengelegt. Das ermöglicht eine bessere Abstimmung in diesen Bereich. Die Frage ist, wie insbesondere die Zusammenarbeit mit der Abteilung S für Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge strukturiert angelegt wird und wie Rüstungskontrolle und Abrüstung systematisch in die verschiedenen Dimensionen der Konfliktbearbeitung und den gesamten Konfliktzyklus einbezogen werden können. Bei der konzeptionellen Aufarbeitung von Frühwarnung kann zum Beispiel überlegt werden, wie Fragen der Rüstungskontrolle und Abrüstung systematisch in einen Frühwarnmechanismus integriert werden können.

Abrüstung in Europa: Transparenz schaffen, Vertrauen bilden

Außenminister Steinmeier hat Ende August zu einem Neustart der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa aufgerufen und bei der Außenministerkonferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Potsdam am 1. September, an der etwa 40 Minister teilnahmen, um Unterstützung für diese Initiative geworben. Im Rahmen der OSZE sind folgende Themen vorrangig: Das Wiener Dokument von 1990, das regelmäßig, zuletzt 2011, angepasst wurde, muss überarbeitet werden. Es regelt umfangreiche vertrauensbildende Maßnahmen im Bereich Manöverbeobachtung und zur gegenseitigen Information der Vertragsstaaten über Waffensysteme und Truppenstandorte. Ein Nachfolgeabkommen zum Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag), der ursprünglich zwischen NATO und Warschauer Pakt abgeschlossen wurde und dessen Bestimmungen noch von den Grenzziehungen und den vorherrschenden konventionellen Waffensystemen des Kalten Kriegs geprägt sind, ist dringend erforderlich. Das Geltungsgebiet des bisherigen KSE-Vertrags reicht vom Atlantik bis zum Ural, aber nicht alle in diesem Gebiet liegenden OSZE-Mitgliedsstaaten sind Vertragspartner. So fehlen insbesondere die drei baltischen Staaten, die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und Albanien. Außerdem ist er auf die typischen Waffensysteme des Kalten Kriegs beschränkt. Sowohl bei einer Modernisierung des Wiener Dokuments als auch bei einem neuen KSE-Vertrag sollten neue Waffensysteme wie z.B. Drohnen und neue Fähigkeiten wie die schnelle Verlegbarkeit von Waffen oder Truppen einbezogen werden. Es müsste auch geklärt werden, wie Gebiete einbezogen werden können, deren völkerrechtlicher Status umstritten oder ungeklärt ist.

Schließlich kann eine Fortentwicklung des Vertrags über den Offenen Himmel durch die darin vereinbarten Beobachtungsflüge Transparenz und Vertrauen im OSZE-Gebiet erhöhen und damit zur Krisenprävention beitragen.

Nukleare Abrüstung vorantreiben, Rüstungswettläufe durch neue Waffen verhindern

Andere abrüstungs- und rüstungskontrollpolitische Themen müssen auf internationaler Ebene behandelt werden. Das Nuklearabkommen mit dem Iran hat einen gefährlichen regionalen und internationalen Konflikt entschärft, muss aber weiter politisch unterstützt werden. Die nordkoreanischen Atomwaffentests zeigen, wie wichtig es wäre, endlich ein Inkrafttreten des Kernwaffenteststopp-Vertrag (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) zu erreichen - hierfür ist eine Unterzeichnung bzw. Ratifizierung durch derzeit noch acht der in Annex 2 des Vertrags genannten Staaten erforderlich (Ägypten, Volksrepublik China, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan und die USA - Indien, Pakistan und Nordkorea haben noch nicht unterzeichnet).

Auch der Atomwaffensperrvertrag, insbesondere die Frage, ob und gegebenenfalls wie die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten ihre Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung aus Artikel VI des Vertrags erfüllen, ist wegen der Atomwaffenmodernisierungsprogramme dieser Staaten ein wichtiges Thema. Der Vertrag hat eine wichtige präventive Funktion, weil eine seiner Hauptaufgaben die Verhinderung der weiteren Verbreitung von Atomwaffen ist. Neue Rüstungswettläufe drohen durch technische Neu- oder Weiterentwicklungen. Dies betrifft insbesondere Atomwaffen, Weltraumwaffen und autonome Waffensysteme (lethal autonomous weapons systems, LAWS). In den letzten beiden Bereichen scheitern präventive Rüstungskontrollabkommen derzeit daran, dass keine von allen Staaten akzeptierten Definitionen von Weltraumwaffen oder LAWS existieren.

Man darf die Rolle von Abrüstung und Rüstungskontrolle und die dazugehörigen Verhandlungsprozesse nicht überschätzen: Ihre Ergebnisse sind abhängig von der politischen Gesamtkonstellation. Es hat sich aber gezeigt, dass sie eine weitere Eskalation von Konflikten verhindern und damit Raum für Friedensprozesse oder die Deeskalation von Konflikten schaffen können. So hat der Atomwaffensperrvertrag die Weiterverbreitung von Atomwaffen erfolgreich eingedämmt. Als friedensfördernde Rüstungskontrollmaßnahmen lassen sich auch der KSE-Vertrag und der Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) sehen. Deutsches Expertenwissen nutzen und erhalten Deutschland hat im Bereich Abrüstung, Rüstungskontrolle und Verifikation international einen guten Ruf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es in Deutschland an mehreren Universitäten und Forschungsinstituten ExpertInnen für naturwissenschaftliche Friedensforschung gibt. Allerdings droht ein Teil der Stellen in diesem Bereich wegzufallen, weil die zunehmende Projektmittelorientierung an den Universitäten zu Themenverschiebungen führt und Friedensforschung in technischen Fächern vergleichsweise wenig Drittmittel einwerben kann.

Die geplanten Leitlinien der Bundesregierung für ziviles Krisenengagement und Friedensförderung sollten daher nicht nur einen Abschnitt zu Abrüstung, Rüstungskontrolle und Transparenz/Verifikation enthalten, sondern im Abschnitt zur Rolle der Friedens- und Konfliktforschung auch Überlegungen dazu anstellen, wie das in Deutschland vorhandene Expertenwissen in der naturwissenschaftlichen Friedensforschung langfristig erhalten werden kann. Eine Möglichkeit wäre ein aus Bundesmitteln finanziertes An-Institut an einer geeigneten Universität.

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