Zu viele Unsicherheiten bei CETA

05.12.2016: Dr. Ute Finckh-Krämer hat für "WeltTrends - Das außenpolitische Journal" einen Kommentar zum weiteren Verfahren mit dem Freihandelsabkommen CETA verfasst


von Dr. Ute Finckh-Krämer

Zu viele Unsicherheiten bei CETA

Um es vorweg zu sagen: Ich habe am 22. September gegen den Koalitionsantrag gestimmt, mit dem der Bundestag die Zustimmung der Bundesregierung im Europäischen Rat zur Unterzeichnung und zur vorläufigen Anwendung der rein in der Zuständigkeit der EU liegenden Teile des Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) befürwortet. Der Beschluss des Bundestages formuliert zwar eine Reihe von sinnvollen Wünschen an den weiteren Prozess bis zur Ratifizierung von CETA durch das Europäische Parlament und die Parlamente der Mitgliedstaaten.

Ich hoffe - wie diejenigen in der SPD-Fraktion, die sich dazu entschieden haben, dem Antrag zuzustimmen -, dass diese Wünsche durch rechtlich verbindliche Zusatzvereinbarungen erfüllt werden. Einen ohnehin hoch komplizierten Vertragstext durch Zusatzvereinbarungen außerhalb des eigentlichen Vertrags zu präzisieren, bloß weil man sich irgendwann hinter verschlossenen Türen darauf geeinigt hat, den eigentlichen Text nicht mehr zu verändern, ist allerdings bestenfalls eine Notlösung und der kritischen Öffentlichkeit nicht zu vermitteln.

Darüber hinaus wurde einer der für mich ausschlaggebenden Kritikpunkte an CETA der Bundesregierung gar nicht mit auf den Weg gegeben: die Tatsache, dass CETA - anders als bisherige Handelsabkommen - nicht über eine Positivliste regelt, für welche Bereiche das Abkommen gilt, sondern über eine Negativliste regelt, welche ausgeschlossen sind. Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die in einer sich weiter entwickelnden Gesellschaft neu entstehen, müssten damit von vornherein für private Anbieter geöffnet werden. Nach wie vor leuchtet mir auch nicht ein, warum zwischen Rechtsstaaten eine zusätzliche Klagemöglichkeit für ausländische Investoren vereinbart wird. Ein Handelsgerichtshof mag besser als private Schiedsgerichte sein, aber er wirft genauso die Frage auf, wieso dann nicht auch eine Klagemöglichkeit für ArbeitnehmerInnen, Gewerkschaften, Umwelt- oder Verbraucherbände vorgesehen wird. Es ist sicherlich ein politischer Erfolg, dass Kanada sich verpflichtet hat, die noch fehlenden ILO-Kernarbeitsnormen zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Manche Befürchtungen der CETAGegnerInnen können möglicherweise durch die verbindlichen Zusatzerklärungen ausgeräumt werden. Allerdings sieht der Vertrag in Artikel 26.1. einen "Gemischten Ausschuss" vor, der weitreichende Kompetenzen hat. Kommentar 71 Wörtlich heißt es dort: "Die Vertragsparteien setzen den Gemischten CETAAusschuss ein, der sich aus Vertretern der Europäischen Union und Vertretern Kanadas zusammensetzt. Der Vorsitz im Gemischten CETA-Ausschuss wird gemeinsam vom kanadischen Minister for International Trade und von dem für Handel zuständigen Mitglied der Europäischen Kommission oder ihren jeweiligen Vertretern geführt. […] Der Gemischte CETA-Ausschuss ist für alle Fragen zuständig, welche die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen den Vertragsparteien und die Umsetzung und Anwendung dieses Abkommens betreffen. Die Vertragsparteien können den Gemischten CETA-Ausschuss mit allen Fragen der Durchführung und Auslegung dieses Abkommens und allen sonstigen Fragen befassen, welche die Handels- und Investitionstätigkeit zwischen den Vertragsparteien betreffen."

Bei einem Vertrag, der zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, wird also die endgültige Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe einem Gremium übertragen, das sich jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzieht. Dementsprechend wurde der Gemischte Ausschuss auch in den drei Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht thematisiert, die von insgesamt fast 200.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat - meiner Ansicht nach zu Recht - in seinem Eilentscheid vom 13.10.2016 nicht nur klargestellt, welche Teile von CETA seiner Ansicht nach das Abkommen zu einem gemischten Abkommen machen, sondern auch angedeutet, welche Zusatzanforderungen es für diesen "Gemischten Ausschuss" für notwendig hält. Ich hoffe, dass vom Verfassungsgericht in der Hauptverhandlung dann auch geprüft wird, ob dieser Ausschuss im Zweifelsfall den eigentlichen Vertragstext höher gewichten dürfte als die Zusatzvereinbarungen. Wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Hauptsache aussehen wird und wann sie erfolgt, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Es bleibt also in jedem Fall spannend.

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