Zur Situation in Syrien
04.12.2015: Ein Beitrag aus Anlass der Diskussion um die neue Auslandsmission der Bundeswehr und zum Kampf gegen den IS
Auf Grund der Terroranschläge in Paris, zu denen sich der sogenannte "Islamische Staat" bekannt hat, hat der Deutsche Bundestag heute, am Freitag, d. 4. Dezember 2015 ein neues Mandat der Bundeswehr beschlossen. Die Auslandsmission wird in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Aus meiner Sicht gibt es einige Punkte, die zu kurz kommen und auf die ich deswegen hinweisen möchte.
Die Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrates vom 20. November 2015, die zur Begründung des Bundeswehrmandats herangezogen wird, enthält einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Punkt: "Der Sicherheitsrat (…) fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Anstrengungen zur Eindämmung des Zustroms ausländischer terroristischer Kämpfer nach Irak und Syrien und zur Verhütung und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu verstärken (…)".
Zur Eindämmung des Zustroms ausländischer terroristischer Kämpfer gehören präventive Maßnahmen in den Herkunftsländern, um die Radikalisierung Jugendlicher zu verhindern. Dazu gehören Ausstiegsprogramme für die, die radikalisiert sind, aber sich von der entsprechenden "Szene" wieder abwenden wollen. Mit polizeilichen Maßnahmen in den Herkunfts- und Transitländern muss man diejenigen, die nach Syrien reisen wollen, um sich dort dem IS anzuschließen, daran hindern.
Wir haben nicht nur die Aufgabe, im eigenen Land entsprechende Programme wesentlich stringenter umzusetzen als bisher geschehen, sondern wir sollten auch innerhalb der EU und der Mitgliedsstaaten des Europarates abgestimmte Programme entwickeln, weil wir spätestens seit den Anschlägen von Paris wissen, dass sich radikalisierende junge Männer die Freizügigkeit innerhalb der EU nutzen, um von den Behörden schwerer entdeckt zu werden.
Zur Finanzierung des IS gibt es unterschiedliche Angaben. Unstrittig ist jedoch, dass aus der vom IS beherrschten Region Öl und archäologische Fundstücke, oft aus Raubgrabungen, exportiert werden. Diese Exporte können und müssen unterbunden werden, bei den Ausgrabungsfunden nicht nur in den Transitländern, sondern auch dort, wo die großen Händler für derartige Waren sitzen - also z.B. in Deutschland. Es gibt anscheinend auch nach wie vor Bankverbindungen in das von IS beherrschte Territorium. Die Resolution des UN-Sicherheitsrates bietet eine gute Grundlage für ein international abgestimmtes Vorgehen gegen alle Banken, die Geschäfte mit Banken unter IS-Kontrolle machen. Deutschland könnte sich aktiv dafür einsetzen.
Unabhängig vom gemeinsamen Ziel des Kampfes gegen den IS haben die Staaten, die derzeit mit Luftangriffen in die Kämpfe im Irak und Syrien eingreifen, gegensätzliche Hauptziele. Die Türkei will mit allen Mitteln - auch mit militärischen - verhindern, dass militante Kurden von dem Konflikt profitieren, eventuell gar einen eigenen Kurdenstaat ausrufen, der Teile des türkischen Territoriums umfasst. Russland will mit allen Mitteln seinen Verbündeten Assad stützen - im Zweifelsfall durch Bombenangriffe auf alle seine Gegner, nicht nur auf den IS. Frankreich, die USA und Großbritannien bombardieren ausschließlich Stellungen des IS und versuchen, Kurden und weniger radikale Gegner Assads für den Kampf gegen den IS zu gewinnen. Alles zusammen führt derzeit dazu, dass mehr und nicht weniger Gebiete Syriens von Luftangriffen betroffen sind und sich Kampflinien so verschieben, dass mehr und nicht weniger Menschen ihre Häuser oder die Gebiete, in die sie innerhalb Syriens geflohen sind, verlassen müssen. Und das bedeutet mehr Flüchtlinge, mehr Not, mehr Bedarf an humanitärer Hilfe.
Ich werde mich intensiv dafür einsetzen, dass diese Punkte in der Diskussion bewusst bleiben.
Ich habe heute mit "Nein" gestimmt.
Dr. Ute Finckh-Krämer
4. Dezember 2015