Einblicke in meine Arbeit

06.11.2014: Der Europarat: 47 europäische Länder versuchen, gemeinsame Positionen zu finden

Dieser Beitrag ist in einer leicht gekürzten Fassung in der aktuellen Ausgabe (Nov./Dez.) in der Mitgliederzeitung "Sozialdemokrat Charlottenburg-Wilmersdorf" erschienen.



Einblicke in meine Arbeit

Der Deutsche Bundestag entsendet Delegierte in insgesamt 10 parlamentarische Versammlungen. Die größte Delegation (18 Mitglieder) ist die zum Europarat, der älter ist als die Europäische Union und wesentlich mehr Mitgliedsstaaten hat (47, darunter Russland, die Ukraine, Aserbaidschan, Armenien, Georgien, Moldawien, die Türkei und sämtliche Balkanstaaten). Der Europarat befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Schutz der Menschenrechte, der pluralistischen Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.

Die parlamentarische Versammlung (PV ER) tritt viermal im Jahr für eine Sitzungswoche in Straßburg zusammen. 318 Delegierte aus den Mitgliedsländern und VertreterInnen von jeweils drei Ländern mit Gaststatus (Kanada, Israel, Mexiko) bzw. "Partnerländern" (Kirgistan, Marokko, Palästina) arbeiten in mancher Hinsicht ähnlich wie im Bundestag oder im Europaparlament: Es gibt Fraktionen, Ausschusssitzungen und Plenardebatten. Allerdings hat die Parlamentarische Versammlung des Europarates anders als der Bundestag und das Europaparlament keine Gesetzgebungsfunktion. Sie kann aber durch Berichte und Resolutionen auf Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen rechtsstaatliche bzw. demokratische Grundsätze hinweisen und zu strittigen Fragen Stellung nehmen und konkrete Vorschläge machen. Und sie wählt den Generalsekretär oder die Generalsekretärin und den oder die Menschenrechtsbeauftragte(n) des Europarates sowie die Richterinnen und Richter für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der in Deutschland bekannter als die Parlamentarische Versammlung sein dürfte. Bei manchen Themen wird heftig gestritten - nicht immer sachlich, und nicht immer an passender Stelle. So ist offensichtlich aus Sicht der armenischen und der aserbaidschanischen Delegierten jedes Thema irgendwie mit dem Bergkarabach-Konflikt verbunden. Auch manche Bündnisse im Europarat erschließen sich erst auf den zweiten Blick - etwa das zwischen der türkischen AKP und den britischen Konservativen, die zur selben Fraktion ("European Democrat Group") gehören.

Namentliche Abstimmungen

Aus der Berliner SPD-Landesgruppe sind Mechthild Rawert und ich in der Delegation zur PV ER (ich als Delegierte, Mechthild als Stellvertreterin). Ich bin - als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses - in das "Komitee on Political Affairs and Democracy" gegangen, Mechthild arbeitet - als Gesundheitspolitikerin - im "Sub-Committee on Disability and Inclusion" mit. In der PV ER sind dank eines elektronischen Abstimmungssystems alle Abstimmungen namentlich, das Abstimmungsverhalten wird auf der Webseite der PV auf der jeweiligen Delegiertenseite veröffentlicht. Für die Debatten gibt es keine Redezeitkontingente nach Fraktionen, es kann nur jede der fünf Fraktionen zu Beginn der Debatte jeweils eine(n) Redner(in) benennen.

Anschließend geht es nach der Redeliste, für die die Delegierten sich ab Zusendung der Tagesordnung melden können. Meistens wird beschlossen, die Redezeit auf drei (seltener vier) Minuten zu begrenzen. Bei der Debatte über Resolutionen oder Berichte haben die zuständigen BerichterstatterInnen ein größeres Redezeitkontingent, und für - vorher einzureichende - Änderungsanträge gibt es jeweils 30 Sekunden für Begründung und Gegenrede. Wie im Bundestag auch gibt es Themen, über die erbittert gestritten wird und Entschließungen bzw. Empfehlungen, die fast einstimmig verabschiedet werden.

Themenvielfalt in Europa

Eines der zentralen Themen in der Sitzungswoche vom 29.9. bis 3.10. war die Situation in der Ukraine, über die fast 3 Stunden diskutiert wurde. Bei dieser Debatte habe ich mich zu Wort gemeldet. Mechthild hat sich an zwei Diskussionen zu Berichten beteiligt: Einmal zum Bericht über Maßnahmen gegen neonazistische Erscheinungsformen, für den die eine Berichterstatterin u.a. in Deutschland recherchiert hatte, und zum Bericht über Früherkennung und Versorgung von Brustkrebs. Weitere Themen waren der Bericht über die Beobachtung der Präsidentenwahl in der Türkei, die Frauenrechte im südlichen Mittelmeerraum, berufliche Bildung, die Aktivitäten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) im Zeitraum 2013- 2014, Länderberichte zu Georgien und Albanien sowie die Situation von Kindern, die in "Einwanderungsgewahrsam" genommen werden.

Ähnlich wie in Sitzungswochen des Bundestages gibt es Gesprächsbitten von VertreterInnen politischer Gruppen und Veranstaltungen am Rande der Sitzungen oder in der Mittagspause. Anders als im Bundestag gibt es Gruppen und Initiativen, die sich direkt im Foyer der PV vorstellen dürfen. Besonders interessant war diesmal eine "lebende Bibliothek", deren "Bücher" Menschen waren, die über bestimmte Menschenrechtsthemen Auskunft geben konnten. So gab es zwei deutsche "Bücher" über den Kampf gegen Rechtsextremismus. Aber auch ein "Buch" über die Situation von Behinderten, psychisch Kranken und LGTBI-Menschen in der Ukraine, das ich mir "ausgeliehen" habe.

Als Wahlbeobachterin unterwegs

Die PV ER kann - wie die PV der OSZE - in einem ihrer Ausschüsse (dem sogenannten Monitoring-Ausschuss) beschließen, WahlbeobachterInnen für bestimmte Wahlen in Mitglieds- oder Partnerländern zu benennen. Ich war Ende Mai als Wahlbeobachterin bei der Präsidentenwahl in der Ukraine dabei und werde nach Redaktionsschluss dieses Rundbriefes als Wahlbeobachterin zu den bosnischen Parlamentswahlen reisen. Als Wahlbeobachterin trage ich einerseits zum offiziellen Bericht des Europarates zum Wahlablauf bei, andererseits kann ich hier in Deutschland aus eigener Anschauung berichten. Sowohl in der AG Außenpolitik der Fraktion als auch auf Veranstaltungen oder auf meiner Webseite.

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