"Wir brauchen konstruktive Vorschläge für Rüstungskontrolle und Abrüstung"

27.04.2015: Aus Anlass der Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag spricht Dr. Ute Finckh-Krämer im Plenum zum Antrag "Die NVV-Überprüfungskonferenz zum Erfolg führen" - 101. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 24.04.2015


Vom 27. April bis 22. Mai 2015 findet in New York die neunte Überprüfungskonferenz zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV bzw. "Atomwaffensperrvertrag") statt. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD beschreiben in ihrem Antrag (Drucksache 18/4685) konkrete Forderungen zum Atomwaffensperrvertrag bzw. zur UN-Abrüstungskonferenz. Dr. Ute Finckh-Krämer spricht als erste Rednerin in dieser Debatte zum Antrag.

Eine Videoaufzeichnung des Redebeitrags ist auf der Internetseite des Deutschen Bundestags abrufbar oder kann direkt hier angeschaut werden (Quelle: Deutscher Bundestag):

Das Plenarprotokoll für die 101. Sitzung, 18. Wahlperiode, 24. April 2015 steht hier zum Download bereit: www.bundestag.de. Die gesamte Debatte zum Tagesordnungspunkt 26 kann hier nachgelesen werden, darunter auch die Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer.

Redebeitrag von Dr. Ute Finckh-Krämer:

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen!

Anlass der heutigen Debatte ist die Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die am Montag beginnt und alle fünf Jahre stattfindet. Vor fünf Jahren gab es im Deutschen Bundestag einen fraktionsübergreifenden Antrag. Leider ist es diesmal nicht gelungen, wieder einen fraktionsübergreifenden Antrag zustande zu bringen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das nicht an den Kolleginnen und Kollegen aus dem Unterausschuss Abrüstung liegt.

Die SPD wollte gerne konventionelle und nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung gemeinsam betrachten, auch über die Themen hinaus, die voraussichtlich bei der NVV-Überprüfungskonferenz behandelt werden. Das wurde leider von den Verantwortlichen in der Union abgelehnt.

Nun hat interessanterweise die Deep Cuts Commission, die aus Wissenschaftlern aus Deutschland, aus Russland und aus den USA besteht, in ihrem zweiten Bericht, den sie rechtzeitig zur Überprüfungskonferenz vorgelegt hat, genau das vorgeschlagen: die eskalierenden Konflikte in Europa und konventionelle und nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle gemeinsam zu betrachten. Dass der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, genau diesen Ansatz in seinem Vorwort zu diesem Bericht der Deep Cuts Commission für richtig und wichtig erklärt, zeigt, dass die Arbeit der Deep Cuts Commission auch für die klassischen Sicherheitspolitiker in Deutschland interessant ist. Ischinger verweist darauf, dass die Beobachtungsflüge, die im Rahmen des Open-Skies-Vertrages, also unter dem OSZE-Regime, gemacht werden, in der Ukraine-Krise einen wichtigen Beitrag zur Deeskalation geleistet haben, was für uns wichtig werden wird, wenn wir in den Haushaltsberatungen über die Beschaffung einer deutschen Open-Skies-Plattform diskutieren werden.

Das Problem, vor dem wir mit der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag stehen, ist, dass sich seit dem Inkrafttreten des New-START-Vertrages am 5. Februar 2011 im Bereich der nuklearen Abrüstung nicht viel getan hat. Allerdings ist - und das ist gut und richtig so - eine Debatte um die humanitären Konsequenzen des Einsatzes von Atomwaffen in Gang gekommen, eine erneute Debatte; denn wir wissen seit dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, wie katastrophal die Konsequenzen eines Atomwaffeneinsatzes sind.

Alexander Kmentt, der Leiter der Abteilung für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Non-Proliferation im österreichischen Außenministerium, formuliert daher zu Recht - ich zitiere -:

Die Schlussfolgerungen des humanitären Diskurses sollten zu einer tiefgreifenden Überprüfung der Abschreckungstheorie führen. Die Annahme über den Sicherheitsgewinn, den die Existenz von Atomwaffen mit sich zu bringen behauptet, kann angesichts der Erkenntnisse über die schwerwiegenderen Auswirkungen und größeren Risiken kaum aufrechterhalten werden. Das Beharren auf Nuklearwaffen ist ein letztlich unverantwortliches Glücksspiel, das auf einer Illusion von Sicherheit aufbaut. Das Vertrauen der "Abschreckungs-Realisten" auf diese Illusion ist daher die eigentliche "Utopie", während ein klarer Fokus auf Prävention und nukleare Abrüstung als die einzig nachhaltige und "realpolitisch" vernünftige Konklusion gelten muss.

Die Ungeduld der Staaten, die auf ihrem Territorium keine Atomwaffen dulden, wächst daher zu Recht und ebenso die Ungeduld internationaler Organisationen wie der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen - ICAN -, der International Physicians for the Prevention of Nuclear War - IPPNW -, der Mayors for Peace, aber auch des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, die sich intensiv mit den Risiken des erneuten nuklearen Wettrüstens auseinandersetzen, oder auch der Global-Zero-Bewegung, die von hochrangigen Politikern und Diplomaten aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem Kalten Krieg mit initiiert wurde.

Ich möchte an dieser Stelle daher all denen danken, die sich in diesen und vielen weiteren Organisationen meist ehrenamtlich für eine Welt ohne Atomwaffen engagieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Engagement und ihre Fachkunde sind unverzichtbar für alle, die sich in Regierungen und Parlamenten für nukleare Rüstungskontrolle und Abrüstung einsetzen. Ebenso möchte ich denjenigen danken, die als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Vorschläge zu nuklearer Rüstungskontrolle und Abrüstung erarbeiten. Die Verhandlungen um das iranische Nuklearprogramm zeigen, was geduldige und hartnäckige diplomatische Bemühungen bewirken können. Wir können stolz darauf sein, dass neben den fünf offiziellen Atommächten auch Deutschland daran beteiligt war und ist.

Wenn - wie in den letzten Jahren - Konflikte eskalieren, werden Rüstungskontrolle und Abrüstung nicht überflüssig, sondern - im Gegenteil - notwendiger als zuvor. Das ist eine der Lehren, die Politikerinnen und Politiker in aller Welt aus dem Kalten Krieg gezogen haben. Ich hoffe, dass auf der Überprüfungskonferenz diejenigen Gehör finden, die sich im Sinne von Alexander Kmentt als Realpolitiker erweisen, also konstruktive Vorschläge machen, wie wir dem Ziel einer Welt ohne Atomwaffen näherkommen können.

Ich bitte daher um Zustimmung zum gemeinsamen Antrag der SPD und der Union. Ich bin aber dafür, dass wir den Antrag der Linken ablehnen, der sich sehr viel stärker mit dem befasst, was von Politikern und Diplomaten in letzter Zeit an unsinnigen Forderungen aufgestellt worden ist, als mit dem, was konstruktiv zum Erfolg der Überprüfungskonferenz beitragen kann. Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

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