"Menschenrechte sind wertlos, wenn sie nicht wahrgenommen werden!"

03.12.2015: In der Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD "Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weltweit verstärken" spricht Dr. Ute Finckh-Krämer beispielhaft über den Fall der Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus aus Aserbaidschan und fordert mehr Unterstützung für politisch Verfolgte - 143. Sitzung vom 03.12.2015


Am Donnerstag, den 3.12.2015 hat Dr. Ute Finckh-Krämer in der Beratung des Antrags "Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weltweit verstärken" - Drucksache 18/6880 (PDF) gesprochen.

Sie können den Redebeitrag hier direkt als Video ansehen.

Die komplette Debatte können Sie auch nachlesen unter dipbt.bundestag.de. Die Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer ist dem Stenografischen Bericht der Sitzung entnommen:

Tagesordnungspunkt 5:
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern weltweit verstärken Drucksache 18/6880

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der Tribüne!

Ich möchte Ihnen den Fall der Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus aus Aserbaidschan näherbringen, die im August zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden ist. Der Fall steht beispielhaft für das Schicksal einer ganzen Reihe von Menschenrechtsverteidigern in Aserbaidschan, gegen die das Regime mit drastischen Maßnahmen vorgeht. Sie ist Vorsitzende der aserbaidschanischen Nichtregierungsorganisation Institute for Peace and Democracy, und sie setzt sich aktiv für einen Friedensprozess im Berg-Karabach-Konflikt ein. In eingefrorenen Konflikten ist es wichtig, dass Menschen, die nicht die offizielle Regierungslinie vertreten, für den Friedensprozess eintreten. Wenn die Regierung von Aserbaidschan möchte, dass die Menschen, die wegen des Konfliktes ihre Heimat verlassen mussten, nun zurückkehren können, dann könnte Leyla Yunus mit ihrem Institut einen wertvollen Beitrag dazu leisten. Das geht aber nur, wenn sie freigelassen wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Aserbaidschan ist allen wesentlichen internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten, 2002 auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. Leyla Yunus’ Gesundheitszustand hat sich in der Haft stark verschlechtert. Insofern hoffen wir, dass sie bald freikommt, ebenso wie ihr Mann, der aus der Haft entlassen wurde und jetzt unter Hausarrest steht.

Menschen, die gewaltfrei von der Regierungslinie ihres Heimatlandes abweichende Positionen vertreten, dürfen nicht kriminalisiert werden. Das muss für alle Länder gelten, aber wir setzen uns ganz besonders für die Länder ein, mit denen wir im Europarat zusammenarbeiten.

Menschenrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit oder das Recht, sich zu Vereinigungen, etwa zu Gewerkschaften, zusammenzuschließen, werden wertlos, wenn sie nicht wahrgenommen werden können. Menschenrechtsverteidiger nehmen einerseits diese Rechte selber wahr und setzen sich andererseits dafür ein, dass andere sie wahrnehmen können. Dafür gebührt ihnen unser besonderer Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser gemeinsames menschenrechtspolitisches Anliegen muss es deshalb sein, Menschenrechtsverteidiger in ihrer Arbeit zu unterstützen und sie dort, wo sie verfolgt werden, so gut wie möglich zu schützen. Das kann nicht nur dadurch geschehen, dass wir uns von hier aus öffentlich für sie einsetzen. Es wurden auch andere Methoden entwickelt, zum Beispiel von Organisationen wie den Peace Brigades International, die in lateinamerikanischen Ländern, aber auch in Kenia Menschenrechtsverteidiger vor Ort begleiten und ihnen helfen, Unterstützernetzwerke in ihrem jeweiligen Land aufzubauen, die bei Angriffen oder Verhaftung protestieren können. Aber auch Schulungen in gewaltfreier Konfliktbearbeitung sind hilfreich; denn wer in seinem Umfeld für seinen konstruktiven Umgang mit Konflikten geschätzt wird, der ist besser vor Angriffen geschützt, weil andere sich aktiv für ihn einsetzen.

Eine weitere Möglichkeit, politisch Verfolgte zu unterstützen, zeigt uns die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Sie lädt politisch Verfolgte für ein Jahr ein, damit sie in Hamburg ohne Angst und in Sicherheit arbeiten und sich von der Repression, unter der sie gelitten haben, erholen können. Bis auf eine Menschenrechtsverteidigerin sind übrigens alle ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten dieser Hamburger Stiftung in Freiheit.Das heißt: Dieses eine Jahr Erholung und die Aufmerksamkeit, die sie durch dieses Stipendium erhalten haben, haben ihnen geholfen, haben sie unterstützt. Die einzige Ausnahme ist leider Leyla Yunus.

Die Hamburger Stiftung hilft ihren Gästen dabei, sich mit deutschen und internationalen Meinungsbildnern aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft zu vernetzen. Ich freue mich, dass es in Deutschland eine solche Einrichtung gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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