Saudi-Arabien: Menschenrechte werden missachtet

29.01.2015: Dr. Ute Finckh-Krämer hat sich im Deutschen Bundestag in der Debatte um die Menschenrechte in Saudi-Arabien zu Wort gemeldet. Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE hatten zwei Anträge zur Beratung eingebracht, die sich mit dem saudi-arabischen Blogger Raef Badawi befassen.


82. Sitzung, Donnerstag, 29.01.2015

  • ZP 4) Beratung Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja zur Meinungsfreiheit, nein zur Folter - Menschenrechte in Saudi-Arabien schützen, Raif Badawi freilassen Drucksache 18/3835
  • ZP 5) Beratung Antrag der Fraktion DIE LINKE.:
  • Raif Badawi sofort freilassen - Völkerrechtswidrige Strafen in Saudi-Arabien abschaffen Drucksache 18/3832

Dr. Ute Finckh-Krämer weist in ihrer Rede darauf hin, dass Saudi-Arabien sich als Mitglied der Vereinten Nationen 1948 bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als Grundsatzdokument der VN enthalten hat. Seitdem hat sich die Lage in dem Land noch verschlechtert, so ihre Einschätzung.

Eine Videoaufzeichnung des Redebeitrags ist auf der Internetseite des Deutschen Bundestags abrufbar oder kann direkt hier angeschaut werden (Quelle: Deutscher Bundestag):

Auszug:
Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
82. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 29. Januar 2015

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer für die SPD.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Saudi-Arabien ist eines der Gründungsmitglieder der Vereinten Nationen. Es war also schon Mitglied der Vereinten Nationen, als 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Grundsatzdokument der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Saudi-Arabien hat sich damals bei der Abstimmung enthalten, und zwar nicht wegen der Menschenrechte, um die es im Augenblick im Fall von Raif Badawi, seinem Anwalt und vielen anderen geht - also wegen des Verbots grausamer Strafen oder der Einschränkung der Meinungsfreiheit -, sondern aus zwei anderen Gründen: Saudi-Arabien hatte Bedenken wegen der in dieser Erklärung enthaltenen Religionsfreiheit und wegen der Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bezug auf die Ehe. Das heißt, in Saudi-Arabien hat sich etwas verschlimmert seit 1948.

Den Zivilpakt, in dem zentrale Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Hinblick auf persönliche Freiheitsrechte in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gegossen sind, hat Saudi-Arabien bis heute weder ratifiziert noch in anderer Weise völkerrechtlich verbindlich anerkannt. Dies ist ein echter Ausnahmetatbestand; denn von 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben immerhin 168 den Zivilpakt unterzeichnet und ratifiziert.

Frau Höger, in einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich hoffe sehr, dass sich die Presseinformationen, die wir in den letzten Tagen lesen konnten, nämlich dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien bis auf Weiteres gestoppt sind, als wahr erweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Was wir nachweisen können, ist, dass im ersten Halbjahr 2014 wesentlich weniger Waffen nach Saudi-Arabien exportiert wurden als in den Jahren davor. Insofern hoffe ich, dass wir dort den Anfang eines Trends sehen, der in die Richtung weitergeht, die Sie skizziert haben. Es wurde bereits erwähnt, dass wir es in Bezug auf Saudi-Arabien nicht mit Einzelfällen zu tun haben, sondern mit einer ganzen Serie von Verurteilungen von Menschen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Wir haben auch schon gehört, wie jung die Bevölkerung im Schnitt ist.

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?

Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):

Ja, gerne.

Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. - Sie haben gerade gesagt, es sei deutlich, dass bereits 2014 weniger Waffen an Saudi-Arabien geliefert worden sind als in den Jahren zuvor. Nun liegt uns der Rüstungsexportbericht für 2014 noch gar nicht vor. Alles, was wir haben, sind einzelne Erklärungen über erteilte Genehmigungen im Bundessicherheitsrat, die aber keinesfalls vollständig sind. Die ministeriellen Genehmigungen sind nicht enthalten. Was das BAFA genehmigt hat, wissen wir nicht. Deswegen frage ich Sie: Woher haben Sie diese Informationen?

(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weiß mehr!)

Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):

Ich habe über das erste Halbjahr 2014 gesprochen, und dafür liegt ein Zwischenbericht vor.

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Den haben Sie doch auch, Frau Keul!)

Ich komme zurück auf das Rechtssystem von Saudi-Arabien. Seit 2011 nehmen dort Zensur, Einschüchterungsmaßnahmen, Festnahmen wegen politischer Meinungsäußerungen zu, und das in einem Land, wo ein Großteil der Bevölkerung unter 25 Jahre alt ist. Das heißt, dass ein Großteil der Bevölkerung dort wie in anderen Ländern auch, etwa in unserem Land, das Internet nutzt. Zum Teil wird gebloggt; zum Teil gibt es Einträge bei Facebook usw. Ich habe mich zwischendurch gefragt, wie viele von uns angesichts der drakonischen Strafen, die dort aufgrund bestimmter Meinungsäußerungen verhängt werden, den Mut hätten, ihre Meinung so frei zu äußern, wie es Raif Badawi getan hat.

Ein Punkt noch, der vielleicht für die weitere Diskussion wichtig ist: Die drakonischen Strafen, die Unrechtstatbestände in Saudi-Arabien, die uns im Augenblick zu Recht so empören, sind größtenteils Vorgänge, die in der Vergangenheit auch in Deutschland üblich waren. Das geht bis hin dazu, dass in Saudi-Arabien bis heute Menschen wegen Hexerei verurteilt werden - etwas, was in Deutschland zum letzten Mal im 18. Jahrhundert vorgekommen ist. Die Hoffnung, die wir haben - Herr Heinrich hatte erwähnt, dass es an manchen Stellen ganz winzige Fortschritte gibt -, ist, dass Saudi-Arabien genauso, wie das Deutschland und viele andere Länder der Welt in den letzten Jahrzehnten, zum Teil sogar Jahrhunderten getan haben, auch erkennt, dass bestimmte Strafen, dass bestimmte Rechtssysteme nicht menschenwürdig sind und nicht aufrechterhalten werden sollten, dass Saudi-Arabien auf diesem Weg weitergeht und sich in die gleiche Richtung entwickelt wie fast alle Länder der Welt, die den Zivilpakt und den Sozialpakt unterschrieben und damit in ihren Ländern die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen rechtsverbindlich gemacht haben.

Danke schön.

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