"Impulse für den Friedensprozess in Syrien"

24.09.2015: In der Aktuellen Stunde zum Konflikt in Syrien hat Dr. Ute Finckh-Krämer über das, was Hilfsorganisationen in der Region leisten und über die Verbindung von humanitärer Hilfe und Friedensbemühungen gesprochen - 124. Sitzung vom 24.09.2015


Am Donnerstag, den 24. September 2015 haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Zusatzpunkt 1 über das Thema "Neue Dynamik zur politischen Lösung der Syrienkrise nutzen" debattiert.

Dr. Ute Finckh-Krämer hat über das, was Hilfsorganisationen in der Region leisten und über die Verbindung von humanitärer Hilfe und Friedensbemühungen gesprochen.

Sie können das Video hier ansehen (Quelle: Deutscher Bundestag):

Die gesamte Debatte können Sie hier nachlesen: www.bundestag.de. Unten folgt die Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer:

Deutscher Bundestag
Stenografischer Bericht
124. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 24. September 2015

Zusatztagesordnungspunkt 1:
Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Neue Dynamik zur politischen Lösung der Syrien-Krise nutzen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte an das erinnern, worum es heute in der Aktuellen Stunde eigentlich gehen sollte, was aber bei den letzten Beiträgen etwas aus dem Blick geraten ist, nämlich um die Frage, wie es jetzt positive Impulse für einen Friedensprozess in Syrien geben kann.

Die wichtigste Person ist hier der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura, der aus keinem der Länder stammt, die dort im Augenblick in irgendeiner Weise militärisch beteiligt sind. Er ist ein erfahrener Diplomat mit italienischer und schwedischer Staatsangehörigkeit und hat lange Erfahrungen im Bereich der humanitären Hilfe und in Konfliktregionen. Er ist einer der Menschen, die das vermeintlich Unmögliche schaffen können. Sein Verhandlungsansatz, der vorgestern vorgestellt wurde, basiert darauf, dass in vier Arbeitsgruppen unter Leitung von Fachleuten aus vier europäischen Ländern über eine mögliche Entwicklung Syriens im Rahmen eines Friedensprozesses gesprochen werden soll. Die vier Fachleute kommen aus vier Ländern, nämlich aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Norwegen und aus Schweden.

Weil mein Thema heute die humanitäre Hilfe ist, möchte ich etwas mehr auf den norwegischen Arbeitsgruppenleiter eingehen, Jan Egeland, der ebenfalls ein langjährig erfahrener Diplomat ist und aus dem Bereich der humanitären Hilfe kommt. Im Augenblick ist er Geschäftsführer der größten norwegischen Hilfsorganisation, die sowohl im Bereich der Flüchtlingshilfe als auch im Bereich der humanitären Hilfe in den Nachbarländern Syriens und in Syrien selber mit zweistelligen Millionenbeträgen aktiv ist. Ganz so allein, wie das eben teilweise dargestellt wurde, sind wir Deutschen bei der Unterstützung eines Verhandlungsprozesses im Augenblick also auch nicht, und wir sind in Bezug auf Syrien ganz sicher nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht kennen Sie die Plakatkampagne von Misereor. Auf einem Plakat heißt es: "Mut ist, dahin zu gehen, wo andere fliehen". Das gilt natürlich in besonderem Maße für Kriegsgebiete wie Syrien. Hilfsorganisationen schaffen oft das vermeintlich Unmögliche, zum Beispiel, Zugänge auch dort zu erhalten, wo es nach landläufiger Meinung zu gefährlich ist. Sie tun das durch geduldige Verhandlungen mit den Bürgerkriegsparteien vor Ort, durch Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen, durch immer wieder neue Analysen der aktuellen Lage und auf Basis der vier humanitären Prinzipien: Neutralität, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Menschlichkeit. Sie sind als Grundlage für internationale humanitäre Hilfe unverzichtbar und die Grundlage dafür, dass Hilfe nach Bedürftigkeit und nicht nach Zugehörigkeit zu politischen, ethnischen, religiösen oder sonstigen Gruppen gewährt wird. So kann im Augenblick auch ein großer Teil der 2,7 Millionen Menschen, die in Syrien in von ISIS kontrollierten Gebieten leben, mit humanitärer Hilfe versorgt werden. Unmöglich wird humanitäre Hilfe allerdings meist dort, wo Kampfhandlungen stattfinden. Deswegen ist es so wichtig, lokale Waffenstillstände zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deutsche Hilfsorganisationen können Unparteilichkeit und Neutralität in Bezug auf Syrien auch deswegen so glaubhaft machen, weil Deutschland im Syrien-Konflikt eben voll auf Diplomatie und nicht auf Waffenlieferungen an direkt oder indirekt Konfliktbeteiligte setzt.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Es gibt doch Waffenlieferungen!)

Konfliktbeteiligte sind diejenigen, die im Augenblick in Syrien bomben. Wir liefern aber keine Waffen an eine der Gruppen, die in Syrien kämpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir setzen auch nicht auf den Einsatz von deutschem Militär oder die Unterstützung von denen, die dort im Augenblick mit militärischen Mitteln kämpfen. Das kann, muss und soll auch so bleiben, weil die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe bzw. die deutsche Leistung in diesem Bereich sonst gefährdet wäre. Insofern, Herr Wadephul, wäre ich froh, wenn wir auch innerhalb der Koalition eine Initiative für eine weitere Erhöhung der Mittel sowohl für die humanitäre Hilfe als auch für die Hilfe in den Nachbarländern, die im Zusammenhang mit Entwicklungszusammenarbeit steht, erreichen könnten. Ich bin gerne bereit, daran mitzuarbeiten. Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nehmen Sie uns auch außerhalb der Koalition!)

  • Seite bei Twitter teilen
  • Seite bei Facebook teilen
  • Via WhatsApp senden