"Worst Practice" im Nahen Osten

14.01.2016: Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer in der Aktuellen Stunde zur Lage im Nahen und Mittleren Osten - 148. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 13.01.2016


Sie können den Redebeitrag hier direkt als Video ansehen.

Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 148. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. Januar 2016

Zusatztagesordnungspunkt 2 (PDF Plenarprotokoll):

Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Aktuelle Lage im Nahen und Mittleren Osten

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. - Ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern, dass in der Aktuellen Stunde die Redezeit von fünf Minuten nicht überschritten werden soll. Fünf ist immer noch fünf, auch wenn dies eine emotionale Debatte ist und man für eine Überziehung der Redezeit sicherlich Verständnis hat. Frau Kollegin Dr. Ute Finckh-Krämer für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen!

Ich als Mathematikerin werde mein Bestes tun, um die Redezeit von fünf Minuten einzuhalten. Ich möchte über das reden, was in Bezug auf Menschenrechte und humanitäre Hilfe in der Region Naher und Mittlerer Osten notwendig ist. Ich möchte auf diejenigen hinweisen, die heute noch gar nicht genannt wurden, nämlich die vielen Organisationen, die sich im Bereich der Menschenrechte oder im Bereich der humanitären Hilfe als Kritiker in unserer Region, aber eben auch in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens engagieren. Dazu gehören im Bereich der humanitären Hilfe der Koordinierungsausschuss und die darin zusammengeschlossenen Organisationen, unterstützt vom Auswärtigen Amt.

Im Menschenrechtsbereich haben wir Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch. Amnesty International stand das letzte Mal am vergangenen Freitag vor der saudischen Botschaft und hat mit 100 Demonstrantinnen und Demonstranten gegen die Todesurteile und gegen die schweren Strafen für Regimegegner oder kritische Blogger wie Raif Badawi und Walid Abu al-Chair demonstriert. Das ist gut und wichtig. Das ist auch Teil unserer Kultur, die wir gegenüber Saudi-Arabien oder auch gegenüber dem Iran darstellen.

Ich möchte an dieser Stelle auch unserem Beauftragten für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Christoph Strässer, danken, der in seiner Doppelfunktion als Abgeordneter und als Menschenrechtsbeauftragter im Auswärtigen Amt die schwierige Aufgabe hat, Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts zu kritisieren, wohl wissend, dass er damit manchmal andere Schwerpunkte setzen muss als der Au- ßenminister.

Wir haben in beiden Bereichen das Gefühl, dass wir statt einer Best Practice, die von Land zu Land weitergegeben wird, eher eine Worst Practice haben. Das gilt in Bezug auf die Todesstrafe für politische Gegner unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung. Das gilt auch da, wo die Verletzung religiöser Vorschriften mit drakonischen Strafen bis hin zur Todesstrafe geahndet wird. Wir haben eine Weitergabe von Worst Practice zwischen Ländern wie dem Iran, Pakistan und Saudi-Arabien auch da, wo es um Hinrichtungen von zur Tatzeit Minderjährigen geht. Es ist manchmal eine schwere Aufgabe, dann Menschenrechtspolitik zu machen.

Heike Hänsel, die Frage, ob man an die Türkei 3 Milliarden Euro für die dort lebenden 2 Millionen Flüchtlinge gibt, sollten wir von der Frage des türkischen Regimes trennen. Solange wir sicherstellen können, dass die humanitäre Hilfe dort nach den Prinzipien der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit, der Menschlichkeit und der Neutralität vergeben wird, so lange kann und muss es egal sein, was im Augenblick mit dem Regime passiert. Das müssen wir in der Tat prüfen und kontrollieren. Ich glaube, das können wir auch.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die kurdischen Regionen kriegen nichts!)

Die Frage, was in welche Regionen geht, ist eine der Fragen, die man dann wieder in diplomatischen Gesprächen klären muss. Wir wissen zum Beispiel, dass in Syrien- auch hier kam von Ihrer Fraktion immer wieder der Vorwurf, dass nicht alle Regionen gleichermaßen bedacht werden - über verschiedene Partnerorganisationen tatsächlich verschiedene Regionen erreicht wurden. Ich denke, das kann die EU auch in Bezug auf die Türkei schaffen.

Ich möchte noch auf den Jemen hinweisen. Herr Röttgen sprach gerade - ich habe es nicht mehr genau in Erinnerung - von einem Krieg, der nicht gewonnen werden kann. Im Jemen gibt es eine noch größere humanitäre Katastrophe als in Syrien. Wir nehmen sie aber nicht so sehr wahr, weil kaum Nachrichten nach außen dringen.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)

Aber auch das ist etwas, was wir in Gesprächen anführen müssen. Denn diese humanitäre Katastrophe - das ist das Absurde - trifft nicht nur die Minderheit, die diesen Bürgerkrieg mit in Gang gesetzt hat, sondern auch die Bevölkerungsmehrheit, die angeblich von dem Präsidenten, der Saudi-Arabien zu Hilfe gerufen hat, vertreten werden soll. Das ist ein weiterer Punkt, bei dem wir uns einsetzen müssen.

Danke.

(Beifall bei der SPD)

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