"Verhandeln ist die einzige Lösung!"
30.11.2016: In der Aktuellen Stunde zur Lage in Syrien und Aleppo spricht Dr. Ute Finckh-Krämer über die komplexe Situation vor Ort, Akteure und die deutschen Bemühungen zur Lösung des Konflikts
Rede von Dr. Ute Finckh-Krämerin der 205. Sitzung vom 30.11.2016 - 16:13:16 Uhr
Die Rede kann hier direkt angesehen werden.
Wörtliche Wiedergabe der Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer
(Quelle: Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestags)Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren oben auf den Tribünen!
Frau Dağdelen, ich habe mir eben gerade noch einmal die Sanktionsliste der EU für Syrien angeschaut: Darauf stehen weder Lebensmittel noch Medikamente.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Das Einzige, was darauf steht und was nur ganz indirekt mit landwirtschaftlicher Produktion zu tun haben könnte, sind Erdöl und Erdölprodukte. Es sind auch keine Industriegüter für die Medikamentenindustrie auf der Sanktionsliste. Insofern haben Sie hier eine unsinnige Aussage gemacht, und ich finde, das ist unserer Debatte nicht angemessen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN - Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt einfach nicht! Faktencheck!)
Was ich wichtig finde, ist, dass wir uns alle gemeinsam überlegen, was von dem, was wir schon getan haben, hilfreich war bzw. nicht hilfreich war. Was zum Beispiel nur begrenzt hilfreich war, war, dass 2012 eine Gruppe von Regimegegnern als legitime Vertretung Syriens anerkannt wurde. Damit hat man sich bestimmte Verhandlungsmöglichkeiten verbaut.
Hilfreich war, glaube ich, alles, was im Bereich der humanitären Hilfe gemacht wurde. Da war und ist Deutschland einer der ganz großen Geber und versucht immer, mit den Partnern zusammenzuarbeiten, die in den unterschiedlichen Regionen Syriens noch aktiv sein können. Das sind in manchen Gegenden eher NGOs. Zum Teil läuft es über Partner von medico international; es sind die Weißhelme, die, was eben noch nicht erwähnt wurde, gerade den Alternativen Nobelpreis erhalten haben - zu Recht. Wir haben mit der Parlamentargruppe "Alternativer Nobelpreis" fraktionsübergreifend gestern Abend Preisträger und Preisträgerinnen, aber auch Vertreter eingeladen. Wir waren, glaube ich, alle von dem beeindruckt, was der Vertreter der Weißhelme uns berichtet hat.
Als wir im UN-Menschenrechtsrat 2015 den Vorsitz hatten, unter Botschafter Rücker, haben wir das Thema "Sonderbeauftragter für die Menschenrechtssituation in Syrien" auf die Tagesordnung gesetzt. Das heißt, wir haben uns im Rahmen der deutschen Außenpolitik bereits dafür eingesetzt, dass Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dokumentiert werden.
Die AG Menschenrechte der SPD-Bundestagsfraktion war am 19. September in Genf beim UN-Menschenrechtsrat. Wir haben dort die Entgegennahme eines solchen Berichtes live erlebt. Insofern ist das nichts, was mit dem Ende des deutschen Vorsitzes im Menschenrechtsrat wieder in der Versenkung verschwunden ist. Das ist von anderen aufgegriffen und fortgeführt worden, und das ist auch gut so.
(Beifall bei der SPD)
In der letzten Woche hat Staffan de Mistura hier in Berlin die Dag-Hammarskjöld-Medaille der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen erhalten, und er hat in einem sehr nachdenklichen Beitrag geäußert, wie komplex die Verhandlungssituation in Syrien ist, wie viel Kraft er brauchte, wie viel Unterstützung er brauchte, um da nicht einfach aufzugeben. Er hat auch deutlich gemacht, dass, egal welchen Blickwinkel man auf die Situation dort hat, das Verhandeln mit allen, die dort im Augenblick militärisch oder politisch Einfluss nehmen, die einzige Lösung ist, die den Menschen in Syrien wenigstens mittelfristig helfen kann. Er bekommt dafür Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt, von vielen EU-Staaten, vom Auswärtigen Dienst der Europäischen Union, und das ist auch gut und richtig so.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern können und müssen wir uns tatsächlich jeden Tag neu fragen, was wir noch tun können, um den Menschen in Syrien zu helfen. Wir können etwas auf der Basis dessen tun, was schon versucht wurde. Wir können etwas in Anerkenntnis dessen tun, dass manches nicht zielführend war. Wir können zusammen mit vielen Unterstützern und Verbündeten etwas tun, und wir sollten das weiter tun. Wir sollten das auch selber immer wieder positiv reflektieren. Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)