"Militär leistet keinen Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus"

15.12.2016: Rede von Dr. Ute Finckh-Krämer in der Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zu den Herausforderungen für die Internationale Politik nach den Terroranschlägen von Kairo, Istanbul und und weiteren Orten vom vergangenen Wochenende - 208. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 14. Dezember 2016


Aktuelle Stunde


auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - die Debatte ist nachzulesen im Plenarprotokoll vom 14. Dezember 2016

Redebeitrag von Dr. Ute Finckh-Krämer


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den Tribünen!

Ich möchte einige Punkte nennen, die in der bisherigen Debatte noch nicht angesprochen wurden. Implizit wurde angesprochen, dass Militär keinen Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus leistet. Ich möchte das hier noch einmal ausdrücklich und explizit sagen. Alle Versuche, sei es durch Russland in Tschetschenien, sei es durch die USA in Afghanistan, sei es durch die türkische Regierung im Kurdengebiet, mit militärischen Mitteln Terrorismus zu bekämpfen, sind krachend gescheitert. Ich glaube, darüber sollten wir uns alle im Klaren sein.

Der Kampf gegen Terrorismus hat zwei Teile, die funktionieren können: Das eine ist die Prävention, die sehr vielseitig aussehen kann. Herr Hardt hat einen Bereich genannt, nämlich dass man gegen soziale Ungerechtigkeiten in den Ländern, wo Terrorismus im Augenblick ein besonders dringendes Problem ist, vorgehen sollte. Es gibt aber auch andere präventive Maßnahmen, zum Beispiel Maßnahmen gegen die Radikalisierung von Menschen im eigenen Land, nicht nur als Dschihadisten. Denken wir an den Anschlag von Utoya in Norwegen. Der Terrorist hatte nichts mit internationalem Dschihadismus zu tun. Es war keine diktatorische Regierung, die ihn zum Terroristen gemacht hat, sondern eine verquere Weltsicht.

Die Prävention, die es im eigenen Land geben sollte, die es auch in demokratischen Ländern geben muss, um zu verhindern, dass Menschen sich radikalisieren, sei es rechtsextremistisch, sei es dschihadistisch, sei es auf andere Weise gewaltbereit, das ist etwas, was wir ernst nehmen sollten und wo wir uns auch mit anderen Ländern austauschen sollten.

Innerhalb der OSZE ist bei dem Abschlusstreffen der deutschen Präsidentschaft in Hamburg genau dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt worden. Mehrere Staaten, von denen wir hier gesprochen haben - Russland und die Türkei -, sind in derzeitigem Zustand keine demokratischen Länder, aber sie haben trotzdem ein Interesse daran, dass sich Menschen in ihrem Land nicht radikalisieren und Terroranschläge machen, die so schrecklich sind wie der am Wochenende in Istanbul.

Deswegen kann es eine Zusammenarbeit geben, indem wir unsere Erfahrungen mit polizeilichen Maßnahmen, Rechtsstaatlichkeit und Prävention, die die entscheidenden Mittel gegen Terrorismus sind, weitergeben können. Wir haben auch im eigenen Land Erfahrungen mit Terrorismus gemacht, nicht nur mit Dschihadisten, die nach Syrien ausgereist sind. Wir haben vor Jahrzehnten - ich bin alt genug, um das als Studentin miterlebt zu haben - die Anschläge der RAF gehabt. Wir hatten im Jahr 1980 den Oktoberfestanschlag. Wir hatten den NSU, bei dem es lange gedauert hat, trotz Kontakte der Geheimdienste in das Umfeld des NSU, bis entdeckt wurde, dass eine Reihe von scheinbar isolierten Mordanschlägen eine terroristische Serie war. Insofern gibt es einiges, was wir an Erfahrungen beisteuern können.

Wenn so schreckliche Ereignisse wie in Ägypten, in Nigeria, in Somalia, in der Türkei dazu führen, dass ein Raum entsteht, in dem wir argumentieren können, warum Rechtsstaatlichkeit, warum eine an den Interessen der Bevölkerung und nicht der Machterhaltung eines Staates orientierte Polizei so wichtig ist, dann besteht in allem Unglück, in aller Trauer, in allem Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen eine winzige Chance, um zu verhindern, dass es in Zukunft zu genauso viel oder noch mehr schrecklichen Anschlägen kommt.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

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